Weitere Spitzelberichte aus der Innenwelt einer gestörten Randfigur

Hier ein Auszug aus den Wachphantasien des K., die ihm in den letzten Tagen in ununterbrochenem Wechsel sich immer erneut gegenseitig widersprechend durch den Kopf gegangen sind. Wieder fragt K. sich, ob das die Dichtung ist, zu der er sich nicht fähig glaubt, und wie richtige Autoren so was umsetzen.

Sie will mit K. nach New York durchbrennen. Sie ist lesbisch; Pech gehabt, altes Kind. Sie wollte aus dem Fenster springen. Sie fällt ihm um den Hals, wenn er das nächste Mal erscheint, aber K. fährt nicht mehr hin, weil er eine Gesäßöffnung ist. Sie schreibt K. jetzt einen Brief, um ihm etwas darzulegen, auf das K. nie gekommen wäre, was aber unterm Strich einen Korb darstellt. – Alles „Dichtung“…

Der Typ in dem Super-Cabrio, der sich da demonstrativ gockelnd vor K. präsentiert hat, real, nicht phantasiert, ist ihr Macker, ein Macher und Leistungsträger, nicht nur Brillen- und Gebissträger. Der wollte K. mit diesem Auftritt bzw. dieser Auffahrt vorerst nur einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl geben, der allerdings schon an einen Wink mit der Maschendraht-Rolle grenzte. Die lachen sich jetzt scheckig über das alte Kind K., das von romantischer Jugendliebe träumt. „Du willst mich küssen, doch das geht mir schnell; Du solltest wissen, ich bin intellektuell!“ usw., wie eine Tanzmusikkapelle darlegt, die bezeichnenderweise „Die Ärzte“ heißt. – Alles „Dichtung“…

Nach dem Empfang des Päckchens, das K. mit einem ganz possierlichen Teelicht-Häuschen als kleine Gabe für den Einzug ins neue „Häuschen“ versandt hat, wie originell, was für ein toller Hecht, geht es dann etwas mehr zur Sache, denn der Typ im Cabrio hatte Oberarme mit jeweils dem Umfang beider Oberarme von K. zusammen, wobei das Muskeln waren, kein Fett. – Alles „Dichtung“…

Womöglich ist der gar Detektiv, kein Joke…

Über der WG im Osten Münchens, in die sie gezogen ist, befindet sich das besonders gesicherte Büro einer seit Langem und offenbar sehr erfolgreich arbeitenden Detektei.

Dasselbe wie 85 in Friedrichshagen, als K. den Todessprung von der Teppichkante versucht hat, den er, weil er nichts dazu lernt, alle paar Jahre unternimmt, allerdings immerhin in immer größeren Abständen.

Merkt nich‘, dissa schwul is‘, merkt nich‘, dissa schwul is‘, hähähä!

Nach wenigen Minuten ist damals hinterm roten Mond ein LADA mit vier sehr unauffälligen Herren an K. vorbei gefahren, die dergestalt demonstrativ geglotzt haben, dass K. mitbekommen musste, was er auch sollte, dass sie ihn wahrgenommen hatten. Allerdings kam dieses Mal der konspiratiefsinnige Textbaustein „Was machnsn hier?“ nicht operativ zum Einsatz.

Der Vater der damals von K. verhängnisvoller Weise angebeteten Super-Elfe, hochintelligent und hochbegabt, rote Haare bis unter den kleinen Hintern, scheiß Sexist, war nicht nur bei denen, die in diesem Viertel geradezu gruppenweise wohnten, sondern Mitarbeiter mit Stabsoffiziersdienstgrad der HVA, der Elite der Elite.

Damals hat K. gar nicht realisiert, dass er heftige Schuldgefühle ausgestrahlt hat, auf die natürlich reagiert wurde von den Mitarbeitern der Sicherheitsorgane. Die Genossen Tschekisten haben aber nicht begriffen und konnten das auch gar nicht, dass K. nicht Schuldgefühle hatte, weil er im Begriff war, offizielle Gesetze zu übertreten oder gar als Agent zu agieren, sondern, weil er eben neurotische Gesetze gebrochen hatte wie etwa: „Du sollst nicht aus der Spur kommen!“, „Du sollst nicht neugierig auf andere Menschen sein!“, „Du sollst auf gar keinen Fall zu einem Mädchen schnüren, in das Du idiotisch verknallt bist!“ usw.

In dem Haus im Osten von M war K. schon einmal, aber er hat die WG nicht wiedergefunden. Er wollte ihr das Häuschen zunächst eigenhändig überreichen, weil er sich sonst feige vorgekommen wäre, obwohl oder gerade weil er schon wieder voll auf dem Kafka-Trip war.

Merkt nich‘, dissa schwul is‘, merkt nich‘, dissa schwul is‘, hähähä!

Mehrere Hausbewohner konnten ihm jedoch auch nicht weiterhelfen, die K. immerhin angesprochen hat, was er normalerweise nicht getan hätte, aber er war bereits im leichten Ausnahmezustand; nur im leichten, weil noch nicht viel Oxytocin freigesetzt worden war.

K. ist dann eine unbeleuchtete Treppe hoch getappt und hat an einer Tür etwas gefunden und vor allem daran herum getastet, das er ebenso erst hinterher als Mini-Tastatur eines Multifunktions-Codeschlosses erkannt hat wie die Tatsache, dass das da oben ’ne Detektei war.

Das wäre echt der Brüller, wenn die ihn gecheckt hätten, denn da ist, aua, mit Sicherheit ’ne Kamera angebracht, und ihn jetzt Tatsache für ’n Stalker halten. K. hatte schon zweimal das Haus umrundet, ganz unauffällig unter anderem über den Rasen latschend, und war bereits mehrfach den Hausflur hinauf und hinunter gelaufen. Fließender Übergang zwischen Dichtung und Wahrheit, sehr wahrscheinlich sehr typisch für diese Zeit.

Natürlich hatte er dabei wieder die Ausstrahlung eines üblen Delinquenten, die er nun neuerdings wahrzunehmen vermag, was für seine Verhältnisse beinahe Altersweisheit gleichkommen dürfte, denn er war im Begriff, ein krasses Verbot zu übertreten, siehe eben oben.

Merkt nich‘, dissa schwul is‘, merkt nich‘, dissa schwul is‘, hähähä!

Dazu diese Ganoven-Fresse, von Dr. Sch. therapeutisch euphemistisch „Charakterkopf“ genannt.

Sooo süüüß! Der gehört in die Einrichtung… – K. arbeitet dran!

Der Typ hat sie sich gekrallt, als sie, emotional offen durch die Verunsicherung einer existentiellen Veränderung, ihm buchstäblich in die Arme gelaufen ist. – Alles „Dichtung“…

K. ist selbst schuld, denn er hatte monatelang Zeit, darauf zu kommen, dass er sich um Kontakt bemühen sollte, nachdem sie mehrmals durch bloßes vorbei Laufen mit diesem Speziallächeln den Effekt bei K. hervorgerufen hat, den er mit der auch von ihm selbst als dürftig empfundenen Formulierung zu beschreiben versucht, ihm hätte wer was vor den Kopf gehauen.

Tja… Es ist wohl, im Sinne Freuds, keine Wiederfindung, sondern die andere Variante, der narzisstische Partnerwahlversuch, den man leicht verstehen kann, wenn man sich etwa vorzustellen versucht, Loriot hätte mit Frau Hamann rum gemacht. Katastrophe, das alte Kind lernt nix dazu. Nein, kein Größenwahn, es geht ums Prinzip.

Andererseits ist natürlich gerade hier alles ambivalent, denn sie sieht aus wie die Schwester von K.’s Vater, und K.’s Vater hat voll gut ausgesehen, wie Fachfrauen mehrfach bestätigt haben. Bei K. ist alles verdreht, denn in gewissem Maße war K.’s Vater K.’s Mutter, und in diesem Sinne ist es doch Wiederfindung, eididei, die Küche brennt.

(… ‚Roookooo?!!!‘ kam eben wieder mit Kinderstimmen… Nick-Name, aus den jeweils ersten zwei Buchstaben seines Vor- und Familiennamens zusammengesetzt…)

Wieder hat sich gezeigt, dass die frühen Prägungen meist stärker sind als aktuelle Erlebnisse, die diesen Konditionierungen widersprechen. Unlängst hatte K. die Wachphantasie, dass ihre Mutter ihn anzeigen würde wegen Belästigung, weil er ihr die Post hinterher getragen hatte, dann hat sich die Mutter jedoch real freundlich mit ihm unterhalten und ihm gar etwas zu essen angeboten.

(… urst lustig… aber hier wird wieder deutlich, dass Intelligenz allein überhaupt nichts bringt…)

Das „hilft“ aber nicht; wahrscheinlich müssten derartige Versuche der Neuprägung früher Wahrnehmungsmuster Dutzende Male versucht werden, um zu wirken, aber das kann kein Mensch leisten. Die eben oben angedeuteten Wachphantasien wirken im Moment ihres Auftretens derart real wie zum Beispiel das Haus, in dem sie wohnt, oder die Bushaltestelle daneben usw.

Die letzte Therapie hat diese Prägungen nicht nur nicht ausgeräumt, sondern verstärkt und verfestigt, was nicht nur für diesen Lebensbereich zutrifft, sondern auch für Arbeit und Wohnen.

Merkt nich‘, dissa schwul is‘, merkt nich‘, dissa schwul is‘, hähähä!

K. hatte beim Malern festgestellt, dass die Wände ihres Zimmers von Duftölaromen beinahe durchtränkt waren. Er war dann selbst überrascht, eine klitzekleine, aber doch spontane Aktion zustande gebracht zu haben.

Aber dabei schienen alle Zeichen gegen ihn zu sein; vor allem ist er zuerst vor dem falschen Haus erschienen, wo der über die Kleinanzeigen von ebay das ganz hübsche Handwerksstück verkaufende Typ wohnte.

K. hatte ’n Zahlendreher in seiner Notiz, und der Typ hat sich beim zweiten Anlauf des K. als Typin erwiesen, aber das konnte alles irgendwie gar nicht anders sein.

Alles übelst lustig, von außen gesehen, und sehr wahrscheinlich hat sich K. voll zum Obst gemacht, aber er hat sich Langem nicht derart lebendig gefühlt, bla.

Außerdem drängt sich auch hier wieder die Frage auf, sogar K. selbst, ob er eine Liebesgeschichte leben will oder schreiben.

Eine der grandiosen Miniaturen von Erwin Strittmatter, dem Älteren, fällt K. dazu ein. Ein Vogelweibchen müht sich emsig beim Nestbau, während das Männchen auf einem Ast sitzt und tiriliert: „Seht, wie ich liebe; seht, wie ich liebe!“ Der Liedermacher Wenzel, war nich‘ alles schlecht, spricht in einem seiner Songs etwas Ähnliches aus.

Das Erstaunlichste aber war, dass K. hinterher das fast völlige Fehlen seiner Symptomatik in den Stunden des im doppelten Sinne unterwegs Seins konsterniert konstatiert hat. Jetzt ist die noch verschärfter als „üblich“; seit der heutigen Laufrunde prasseln die dämlichen Mentalfunksprüche wie Hagel auf K. ein und er hat das Empfinden, dass die Ablehnung seiner Person geradezu durch die Wände kriecht.

Was aber hat K. nun aus alldem gelernt? – Nichts. Aber lieber sich zum Bummi und zum Vollobst machen als nicht leben und nicht sterben wie in den letzten Jahren.

Man kann jedoch vorläufig zusammenfassen, dass K. ein extrem frühreifer Mensch zu sein scheint.

Dieser Beitrag wurde unter Anna Lyse, Nabelbohrungen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.