Kritiker sind, Klischee-Alarm, bekanntlich die Leute, die selbst nicht schöpferisch zu werden vermögen, *hüstel*. Aber irgendwie hat K. das Gefühl, dass er hin und wieder ganz brauchbare Gedanken entwickelt. Und? – Tja…
Hier K.’s Lösung des ersten Teils der sechsten Aufgabe im angenehm fernen Kurs „Creative Writing“, deren zweiter Teil in „Komposition der Handlung“ bestand. Nach dieser Aufgabe hat K. den Kurs abgebrochen, was typisch war, denn er hat mitnichten versagt. Vielmehr hieß es in der Aufgabenstellung sinngemäß, dass man sich besser nicht gleich an einem Roman versuchen sollte, weil man als Anfänger damit überfordert wäre, vielmehr man eine Novelle oder Short Story angehen solle. Sinngemäß, wie gesagt. Der Tutor, ein erfahrener Mann, war des Lobes voll über K.’s wie üblich nicht im geringsten gedichteten, sondern aus ausschließlich authentischen Episoden zusammen gesetzten Erzählplan, und hat empfohlen – einen Roman draus zu machen…
Das war zu viel und das begabte Mädchen K. musste entweichen, *hüstel*, und so kommt man zu was im Leben, in der Tat!
Vor allem aber ist K. beim Wiederlesen seiner Lösung neuerlich der Gedanke gekommen, dass Helga Königsdorf eine der ganz wenigen AutorInnen der DaDaeR war, die Psycho-Club in für jedermann verständlicher Weise dargestellt haben, hier zum Beispiel das Phänomen „Übertragung“. Das findet K. deshalb erstaunlich, weil Frau Königsdorf Physikerin und Mathematikerin war und in dieser Männerdomäne Erfolg hatte, weswegen K. auch immer wieder an sie denken musste; genau, wegen, gnihi, Mutti, die in ähnlicher Weise zu reüssieren wusste, jedoch mehr wollte, was K. durchaus versteht, obwohl er bar jeden Ehrgeizes scheint, das lebende Fossil.
Außerdem fragt sich K. zum wiederholten Mal in relativ kurzer Zeit, was krasser wäre; sich in einer derartigen Mischpoche behaupten zu müssen oder gar keine Kontakte mit buckliger Verwandtschaft zu haben. Nichts Genaues weiß man nicht, doch wir bleiben dran!
Nun denn, man habe eventuell fann!
(… oh, eine Ungereimtheit reimt sich… „Faszinierend!“, wie Mr. Spock völlig zu Recht gesagt hätte…)
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1. Nehmen Sie eine fremde Geschichte, die Sie gut kennen und die nicht zu lang ist, zur Hand. Notieren Sie Szene für Szene kurz, was passiert. Erstellen Sie die Struktur dieser Geschichte, indem Sie sich die handwerklichen Techniken dazu schreiben. Wo ist das auslösende Ereignis? Wann wird eine Rückblende eingebaut, und warum ist sie notwendig? Vollziehen Sie nach, welche Anläufe der Protagonist nimmt, um sein Ziel zu erreichen, wo sie jeweils beginnen und enden. Markieren Sie mit Pfeilen, welche Szene auf welche spätere Handlung verweist. Kurz gesagt: Empfinden Sie den Arbeitsplan des Autors nach.
Helga Königsdorf „Das Krokodil im Haussee“ (aus „Der Lauf der Dinge“, Aufbau, 4. Auflage 1988, Seiten 21 bis 40)
Die Autorin beginnt mit der Vorstellung ihrer intakten Familie, wobei dieser Begriff zunächst gar nicht ironisch gemeint ist, vielmehr die gewissermaßen latente Ironie erst langsam bemerkbar wird beim Lesen der ausführlichen Beschreibungen der Personen und ihrer „Orte“, d. h. vor allem der Zimmer in der Wohnung.
Es gibt die Mutter, den Vater, den Sohn der Ich-Erzählerin sowie deren Bruder Hermann-Michael. „Peter nicht. Nicht mehr. Tante Carola auch nicht.“ Dabei gilt: „Wir waren sehr für Abgrenzung.“ Nach außen kommen nur „Erfolgsmeldungen und Optimismus“. Es werden nur Leute eingeladen, wenn materielle Anschaffungen gezeigt werden sollen.
Die Wohnung liegt ruhig in einer Nebenstraße und die Familie gehört zu den Alteingesessenen, die sich kennen und grüßen und ebenfalls um strikte Abgrenzung bemüht sind. Mit jedem Zimmer verbinden sich bestimmte Personen und Assoziationen, so dass sozusagen auch die räumliche Aufteilung geregelt ist. Bezeichnend das Schlafzimmer, „Alles beruhigend kühl. […] Geschlechtliches brauchte mit den Eltern nicht in Verbindung gebracht zu werden.“ (Hervorhebung durch K.)
Der Mittelpunkt und Motor der Familie ist – Mama… „Sie gehörte zu den Menschen, die zu Großem berufen sind, wenn es die Situation erfordert, und die bis dahin an dem Platz im Leben, auf die sie es verschlagen hat, ihre Rolle spielen.“
Die Mutter regelt alle und alles – bis zu einer Art Dressur. Herrmann-Michael, der Bruder der Ich-Erzählerin, wird gewissermaßen auf Klavier-Virtuose getrimmt. Schließlich leidet er unter einer neurotischen Verkrampfung der rechten Hand, aber spielt im doppelten Sinn weiter mit. Da er sich für seine Übungen in seinem Zimmer einschließen darf, laufen dort historische Aufnahmen aus Tonkonserven, während das junge Genie spazieren geht. (Muahaha. – Sorry!)
Offensichtlichere Versuche von Familienmitgliedern, aus dem Festnetz der buckligen Verwandtschaft zu flüchten, werden von Mama beispielhaft gemanagt. Der Mann der Ich-Erzählerin wird zunächst geradezu einverleibt. Er hat jedoch nie eine intakte Familie kennengelernt und wird immer gereizter durch die sedierende Gluckenwärme. Als die Ich-Erzählerin ein Kind bekommt und darauf eine schwer vermietbare Wohnung zugewiesen, wagt sie nicht, dort einzuziehen. Schließlich kommt es zur Trennung und natürlich hat die Mama das alles vorausgesehen, „Das war kein Mann für Dich.“
Tommy, das Kind der Ich-Erzählerin wird nun optimal betreut – von Mama natürlich.
Auch der Vater der Ich-Erzählerin versucht auszubrechen und kommt nicht weit, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne. Er hatte offenbar einen Kurschatten. „Ehe es jedoch zu einer Entscheidung kam, erlitt Papa einen Herzinfarkt“. Es beginnt die typischerweise nach den ersten Symptomen einsetzende sekundäre Fehlentwicklung. Der Mann wird von Mama „aufopferungsvoll gepflegt“ und wird folgerichtig immer schwächer und lebensunfähiger. Gibt es auch nur in Ansätzen Probleme und Konflikte, d. h., droht Lebendigkeit, läuft er vorsichtshalber blau an und „tröpfelte Nitrangin forte auf seine zitternde Hand.“
„Bei uns herrschte wieder Eintracht und Harmonie und wahrscheinlich wäre es immer so geblieben, hätten wir nicht einen neuen Nachbarn bekommen.“
(Das „Interessante“ für den hier textenden Herrn Koske ist, dass man diese Geschichte gar nicht als im sogenannten realen Sozialismus spielend wahrnimmt, vielmehr sie auch, abgesehen von Äußerlichkeiten wie etwa einem Plattenspieler usw., von Tschechow oder Maupassant sein könnte. Das am Rande!)
Bis hierhin beschreibt Königsdorf sehr anschaulich und beinahe gruselig nachvollziehbar ein nahezu Lehrbuchbeispiel für das Familienmodell „Burg“, wie ein Psychotherapeut dieses (neurotische) Arrangement nannte. Man hört es förmlich knistern und muss damit rechnen, dass irgendetwas dieses schauerlich schöne Gebilde fest gefahrener Rituale und Rollen im Alltag gefährdet, wenn nicht zerstört.
Das „irgendetwas“ ist hier nun dieser Nachbar. Man muss jedoch zögern, diesen Neueinzug als das auslösende Ereignis zu werten. Der Nachbar tut eigentlich nichts, sondern ist einfach nur da, aber passt nicht ins Haus und in die Gegend und schon gar nicht zur Familie der Ich-Erzählerin. „Mir war nie zuvor ein derart ungenierter Mann begegnet.“ Er riecht nach „Knoblauch und Haaröl“, trägt „fleckige Hosen“ und redet „ein entsetzliches Gemisch aus Plattheiten“.
D. h., der Mann praktiziert unbestimmtes Verhalten, das zwangsläufig Übertragungen und Projektionen nach sich zieht, und wirkt damit als eine Art Katalysator der ungeklärten Beziehungen unter dem Teppich. Dabei geht es gleich voll zur Sache, indem z. B. nunmehr auch die Ich-Erzählerin Symptome bis zu Magenschmerzen und anachronistischen hysterischen Anfällen entwickelt.
Jetzt erfolgt die erste überraschende Wende in der Geschichte. Ohne sich ihr Verhalten erklären zu können und zu wollen, wie in Trance, macht die Heldin nicht nur die Haare schön und klingelt beim Nachbarn.
Es folgt die nächste überraschende Wendung. Inmitten von Rauchschwaden sitzen Bruder und Vater beim Nachbarn, trinken Bier und spielen Skat. Mindestens interessant ist, dass der Vater völlig beschwerdefrei scheint (Muahaha. – Sorry!). Kommentare des Nachbarn zum Erscheinen der Heldin: „Na bitte!“ sowie: „Du bist ganz schön down, oder?“
„Voller Hoffnung waren nur die Stunden beim Nachbarn. Dort schmiedeten wir Pläne. Papa würde sich eine Stelle als Pförtner suchen, Hermann-Michael wollte zum Bau, und ich träumte davon, mit dem Nachbarn zu leben.“
Selbstverständlich managt Mama auch diese schwere Krise, indem sie den Nachbarn ins Boot holt und dies sogar im Wortsinn. „Ein Motorboot, ein richtig schnittiges weißes Boot mit einem kräftigen Viertaktmotor lag am Haussee für uns bereit. Mama hatte uns ihren Brillantring, ein altes Familienstück, zum Opfer gebracht.“
Während des ersten Bootsausflugs mit dem zu integrierenden Protagonisten des auslösenden Ereignisses kommt es zum Höhepunkt der Geschichte. „Als geraume Zeit später die Ermittlungen nach dem Verbleib des Nachbarn begannen, konnten wir wenig zur Aufklärung des Falles beitragen. […] Nur Tommi erzählte jedem, […] den Nachbarn habe ein Krokodil gefressen. Aber wer glaubt schon einem Kind.“ Mindestens interessant könnte hier erscheinen, dass das Krokodil in klassisch psychoanalytischer Deutung für ein verschlingendes Muttertier steht.
Natürlich ist die Episode, in der der Nachbar von einem Krokodil gefressen wird, nicht nur unwahrscheinlich, sondern geradezu Fantasy. Aber – passt schon!
Viel unwahrscheinlicher ist, dass das System dieser intakten Familie auf Dauer erschüttert werden könnte. Daher muss der phantastische Schluss geradezu als das Tüpfelchen auf dem I erscheinen. „Seitdem herrschte bei uns wieder Ordnung“, heißt es denn auch. Oder, wie ein „Slogan“ der DDR lautete – „Weiter voran auf bewährtem Kurs!“
PS: So was muss Einem einfallen, dann kann man schreiben… heule, heule, heule… jammer, jammer, jammer…
Ist das Alzheimer? - Das mit den 8 Euro tut ja schon im Text oben stehen nähmlich, wo K. gepostet…