Nein, das ist kein Eskapismus, vielmehr ist K. immer wieder überrascht, und das meint er jetzt ohne Irokasmus und dergleichen Faxen und Schnullerchen, dass er mit seinen Gedanken, die er häufig vorsichtshalber schon von vornherein für janz weit draußen hält, oft gar nicht so weit draußen zu sein scheint.
Man kann nicht aus der Menschheit aussteigen, wie Dr. Rosa Luxemburg sinngemäß angemerkt hat, fast wörtlich; allein, die kannte Herrn K. nicht.
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Geht es ohne Zynismus, Herr K.? – Es geht, ha! Allerdings sollte man hinzufügen, oder man muss sogar, dass dieser Zynismus K. in gewissem Sinne auch immer gerettet hat.
Fassen wir, ha, kurz zusammen! K. sieht sich nunmehr schmerzhaft gezwungen zu akzeptieren, dass er, sagen wir es milde, es zu nichts gebracht hat im Leben. Er hat irgendwann, mit 12 oder 13, diesen inneren Schwur geleistet, nicht mehr mitspielen zu wollen, um damit im Grunde seine Eltern zu bestrafen, die ihm das leider weiter übliche Wachstums- und Lebensverbot auferlegten, weil sie es nicht anders kannten und nicht anders konnten, wie K. heute weiß, was er als Zwölfjähriger jedoch naturgemäß nicht wahrzunehmen vermochte.
„Bestraft“ hat er jedoch sich selbst, indem er sich durch seine gewissermaßen immer größere Kreise schlagende Verweigerung, die sogenannte Generalisierung des Symptoms, um seine Jugend gebracht hat; als tragikomisches Beispiel.
Das ist die eine Seite, denn alles hat seine zwei Schattenseiten, oder so ähnlich…
Die andere Seite ist, dass dieser sozusagen Rückzug aus der sogenannten Realität nicht nur aus diesem inneren Schwur resultierte, sondern wohl auch aus einer beginnenden Störung des schizoformen Spektrums, was zumindest eine Klassenleiterin bemerkt zu haben scheint, während andere Lehrer sich allen Ernstes angegriffen fühlten von Verhaltenssymptomen, die dringend eine Therapie erfordert hätten zu einer Zeit, als es keine Therapie gab.
K. muss bei dieser Gelegenheit immer daran denken, wie er irgendwann im Sommer 1989, gnihi, einen Ausreiseantrag gestellt hat; der Genosse Tschekist hat K. einfach weg treten lassen, hat dann aber noch diesen gewissermaßen Nachsatz nachgesetzt: „Irgendwann werden Sie einen Verantwortlichen suchen!“
Hm. Nun ja. Tja… – Und?
Was diese staatssicherheitsdienstliche Rückmeldung betrifft, so hält sich Herr K. ganz gut, ohne Ironie; er „demonstriert“ nicht vor Flüchtlingsheimen oder auf der Reichstagstreppe usw., weil er zumindest in diesem Kontext aufgehört hat zu projizieren, womit die freudlos Freudvollen Übungen mit Anna Lyse doch etwas gebracht hätten, und nun möchte K. wahrscheinlich gelobt werden für seine tiefe Selbsteinsicht oder was.
Höhöhö.
(… im Übrigen hat Sloterdijk Recht, der Epoché-Mensch ist, milde formuliert, nicht mehr gefragt… nein, das ist kein „Höhenflug“; die Dinge sind im Kleinen und im Großen ähnlich…)
K.’s Fleißarbeiter-Versuch, die eben oben angedeutete Problematik zunehmend unbewusster und daher umso wirksamerer Verweigerung anzugehen durch eine Lösung zweiter Ordnung, hier literarische Verarbeitung, ist zudem, milde formuliert, recht durchwachsen geworden; das ist keine wirkliche Literatur, kein richtiger Roman.
Bla.
Was tun, wie schon Dr. Uljanow gefragt hat, sich seinerseits auf Tschernyschewski beziehend, wie Herr K. erst höchstens zwanzig Mal erwähnt hat?
Einfach weiter machen, was sonst…
Bei der Gelegenheit muss K. noch auf eine der Rückmeldungen eingehen, die ihm zuteil wurden bei seinen Versuchen, den Simulanten zu spielen, nämlich: „Entweder werden Sie ein Unikum, oder Sie bringen sich irgendwann um!“
(… „Harte Worte, harte Worte…“… „Herr Lehmann“… *hüstel*…)
Dieses hochwertige Feedback erfolgte damals, hinterm rotem Mond, in den heilend hallenden Hallen des heiligen Joseph in Berlin-Weißensee, von einem sich hochwertiger fachlicher Sozialisation unterzogen habenden Dipl.-Psych.; selbstverständlich ist Herr K. neidisch und eifersüchtig, weil er auch gern Dipl.-Psych. wäre und solche knackigen Sprüchlein staatlich anerkannt ablassen möchte, ha!
(… ???…)
Das ist großartig, nicht wahr?! Herr, muaha, Dr. med. Dr. phil. Clemens Bartholdy hat in gewissem Masse Recht; das sind „Wortspiele“ in therapeutischen Feldern, und damit immer Machtspielchen, und oft oder gar meist derart subtil, dass sie nicht ohne Weiteres wahrgenommen werden können und wahrgenommen werden selbst von notorisch klug scheißenden senilen Alten wie K.
Wieder nicht gesehen worden, der Herr K., das arme, arme Kerlchen, ach. Dieser letzte Ausgang ist für Herrn K. verschlossen. Es ist K. nicht gegeben, muaha, dem Beispiel Adalbert Stifters zu folgen und beim Rasieren zu verunglücken, wie Hesse fast wörtlich geschrieben hat. Da ist eine Art Sperre, die K. zwingt, alle Kreise völlig auszuschreiten, oder so ähnlich, ohne diese im mehrfachen Sinne letzte Tür benutzen zu können; Gottchen, nee, wie süß. Das hätte der erfahrene Psychotherapeut im schönen Berliner Norden auch schnallen müssen, hat er aber nicht…
(… nach diesem Zitat aus einem der Hauptwerke Hesses wird jetzt mit einiger Sicherheit etwas kommen wie: ‚Spielta wieda Steppenwolf, hähähä!‘… komische „Hallus“, oder hatte K. das bereits erwähnt… eine rein rhetorische Frage, versteht sich; Herr K. erwartet schon lange keine Antworten mehr… Gottchen, nee, wie süß…)
(… immer wieder die Frage, wie lange Leutinnen und Leute, die K. beispielsweise unterstellen zu simulieren, den Zustand durchgehalten hätten, in dem K. in wenigen Wochen seit 36 Jahren als nicht ganz ohne Anmut schlotterndes Symptombündel durch das schöne D irrlichtert…)
Was ist der Sinn des Lebens?
Es zu etwas bringen…?
Mag für den einen oder anderen wichtig sein.
Bis er erkennt, dass es Wichtigeres gibt…
… ja… na ja… das wollte ich doch eigentlich sagen… keiner versteht mich, keiner, uääääh…
… schon die Formulierungen… „es zu etwas bringen“… „etwas aus sich machen“… „etwas werden“… d. h., man ist nichts (???)…
(… der wieder mit seinem scheiß Psycho-Club…)
Aber wir dürfen ja sein, wie wir sind.
… oder dürfen wir nicht… ?
Wir denken, die anderen hätten uns gern anders. Aber denken die anderen das wirklich. Oder denken wir uns das bloß… ?
… das is‘ ja ein weiteres Problem, dass diese Wahrnehmungen ständig schwanken…
(… „Wer schwankt, hat mehr vom Weg“, habe ich irgendwo gelesen… sehr witzig, in der Tat…)
Seit mein Gleichgewichtssinn hops gegangen ist, mache ich mehr Kilometer. Kein Scherz…
… verstehe… – Aber geht das auch wieder weg? – Ich hab‘ ja „nur“ bisschen Blut und Prostata…
Das Alter schreitet voran. Eigentlich bräuchte ich eine Generalüberholung…
Aber wer weiß, was die da noch finden…
Ohne Irokasmus (ich sage das jetzt immer vorsichtshalber an) glaube ich auch, dass in den nächsten ca. 20 Jahren so was wie Krebs und Schitzefriehnie usw. besiegt werden könnte… und vielleicht auch die chronische Leukämie, wegen der ich jeden Morgen aufstehe, als hätte ich nachts Holz gehackt… ach ja… aber jetzt gehen erst mal 100 Milliarden in die Bundeswehr, hurra…
(… der is‘ nur bei sich selbst, der is‘ nur bei sich selbst… furchtbar, der Mensch… )
Es muss ja nicht alles geheilt werden können…
Mal abtreten tut auch gut…
Vor allem, wenn man dann morgens liegen bleiben kann…
… das nähert sich in der Tat einer konstruktiven Umdeutung…