Eine Art Anfang. Versuch Nr. x+1. – ‚Siehtnicheindissavöllichunbegabtis!‘

Präskriptum: Vielleicht sollte ich mich auf Roman-Anfänge spezialisieren… Potentieller Longseller, etwa betitelt „30 Einstiege in mögliche, aber wegen akuter Postmoderne nie geschriebene Stories“ oder dergleichen. Har. Har. Genau – gibt es wahrscheinlich schon längst irgendwo, bla.

Das ist auch ’n altes Ding, und so ist der Mensch, bla – immer da sein wollen, wo man gerade nicht ist. Ich würde jetzt gern auf diesem glazial zusammen geschobenem Hügel sitzen, neben der Sprungschanze, und auf die Stadt sehen, die von hier aus wie in einem Talkessel ausgebreitet wirkt. Man hat auf der Hügelkuppe neuerdings sogar ein Fernrohr installiert, wie es an touristisch besonders stark frequentierten Orten üblich ist. Wer „man“ ist? Na, eben die. Man kennt das! Aber „glazial zusammen geschobener Hügel“ hat was; man wird das doch wohl noch sagen dürfen

Da kommen mir dann Phantasien. Das muss ich selbst erstaunlich finden, und ich finde es auch erstaunlich, denn ich leide seit vielen Jahren unter meinem Mangel an Phantasie. Schon häufig hatte ich allerdings den Verdacht, dass es sich bei der Wahrnehmung dieses Mangels oder Defekts um eine ganz besonders dialektische Verdrehung ins Gegenteil handeln könnte. In Wahrheit gab es womöglich keine Schritte auf meinem Lebensweg, bei denen ich nicht bunt phantasiert habe, während meine Handlungen in der sogenannten Wirklichkeit von Ottilie Normalverbraucherin eher als banal empfunden worden sein dürften. Aber das habe ich immer völlig verdrängt, weil – wird doch sowieso nichts, alles Haschen nach Wind usw.

Manchmal war das paradox bis zum Grotesken. Einmal etwa wurde ich als Hilfsarbeiter für besonders stupide Tätigkeiten eingestellt. Ich will hier nicht deutlicher werden, denn es war Schwarzarbeit und man weiß ja nie, gerade in Zeiten des Internets, bla.

Während ich aber die mit diesem Job verbundenen Handgriffe ausführte, die nicht nur mich an Beschäftigungstherapie der übelsten Sorte erinnerten, habe ich mich vom dürftigem Handlanger zum Motor der Expansion des Unternehmens usw. hinweg und hinauf phantasiert. Lächerlich, wie sicher nicht nur ich empfunden hätte, wäre ich dazu gekommen, diese Phantasien irgendwo auch nur in Andeutungen laut zu äußern. Aber dann habe ich einige Jahre danach eine Reportage über dieses Unternehmen gefunden, mit dem der Inhaber und Geschäftsführer derart erfolgreich expandiert war, dass er eine staatliche Auszeichnung für seinen unternehmerischen Erfolg erhalten hat. Dieser Erfolg ging in genau die Richtung, in der ich vermeintlich wild und wüst phantasiert hatte, um scheinbar vor allem meine berechtigten Minderwertigkeitsgefühle als gewissermaßen „Tütenkleber“ zu kompensieren.

Das war nur eine der vielen Geschichten, die ich erlebt habe in dem Canyon zwischen Spintisieren im Kopf und Handeln in der sogenannten Realität, aber sie ist exemplarisch.

Mein Blick auf die Stadt vom Hügel herab sollte in der sogenannten blauen Stunde erfolgen, jedenfalls in dieser Stimmung, wie sie Woody Allen bei der Ablichtung Manhattans in etlichen seiner Filme geschaffen hat. Alles ist nah und vertraut, weil aus der Ferne in diesem besonderem Licht betrachtet. Wie in diesem Traum in meiner Vorschul-Kindheit, in dem ich mich so intensiv wie nie vorher oder nachher in Träumen und in der sogenannten Realität verbunden mit allem und allen fühlte. Dies jedoch bezeichnenderweise beim geträumten Überflug über die Stadt, im Schlafanzug und mittels flügelartiger Bewegungen der Haare über den Ohren, ha!

In letzter Zeit stelle ich mir häufig vor, ich hätte mit etwa dreizehn, zur Zeit meiner Ejakularche, bereits begriffen, wie man sich Einen vom Kolben pumpt, rubbelnder Weise, und nicht erst mit 22. Wie kraftvoll hätte ich abgespritzt, und wahrscheinlich jeden Tag mehrfach, was etliche sogenannte Erziehungsberechtigte wahrscheinlich ohnehin vermuteten. Ja, so sind sie, die Typen, immer die Zukunft in der Hand!

Aber ich stelle mir auch vor, mit dem Mädchen aus meiner Klasse dort oben zu sitzen, und jetzt bin ich wieder 14, das mir über Jahre hinweg immer wieder signalisiert hat, dass sie interessiert wäre, und das ich zwar nicht weg geknallt habe, aber deren Bemühungen ich einfach habe ins Leere laufen lassen. Wie wäre mein Leben verlaufen, wäre ich damals ganz da gewesen, im Hier und Jetzt anwesend oder wie immer man diesen Zustand benennen will, jedenfalls nicht derart weg getreten, wie ich damals schon war? Müssige Überlegungen, aber sie lassen sich einfach nicht abstellen.

Vielleicht hätten wir damals dort auf dem Hügel rum gemacht und ich hätte die erfreuliche Feststellung machen können, dass die Höschen von VEB Malimo tatsächlich derart elastisch waren, wie sie aussahen insbesondere dann, wenn Mädchen sie schon einen ganzen Tag lang getragen hatten. Die Teile waren dann derart ausgeleiert, dass man alles Mögliche wenn nicht sehen, so doch erregend ahnen konnte, wenn man einen Blick unter einen Rock zu erhaschen vermochte. Und so weiter, steht alles im Internet. Nach Freud ist dergleichen die Suche nach dem weiblichem Penis, aber das änderte nichts an der unbeschreiblichen Süße solcher An- und Einblicke. Der Junge war schon immer etwas retardiert! Kurzum hätte ich sehr wahrscheinlich eine richtige Jugend erlebt, mit allem, was dazu gehört, insbesondere das Thema Nummer eins betreffend. Stattdessen vergingen die Jahre in dieser Art Dämmern in leichter Trance.

Freud hat auch sinngemäß gesagt, dass das Verhalten im Bereich der Sexualität vorbildlich wäre für das Verhalten in allen anderen Bereichen des Lebens. Auch da ist was dran, glaube ich oder bin ich mir sogar sicher. Ich „sehe“, während ich da oben sitze, und das ist jetzt wieder eine Wach-Wunsch-Phantasie in der Gegenwart, einige Gebäude der Stadt oder deren Ausbauten und Erweiterungen, die mir gleichfalls seit vielen Jahren im Kopf herum spuken und die es in der sogenannten Realität nicht gibt.

Zuallererst „sehe“ ich das fast monumentale Gebäude auf dem Zentralem Platz, der in der sogenannten Wirklichkeit größtenteils aus Rasen besteht, in kleineren Teilen aus Parkplätzen sowie Gehwegen und Blumenbeeten und dazwischen steht eine Skulptur. Selbst oder vielleicht gerade dem architektonisch nicht Interessiertem oder gar Geschultem muss auffallen, dass buchstäblich alle Wege der Neustadt auf diesen Zentralen Platz verweisen, wo aber – gar kein Gebäude steht. Dort sollte eine Art Stadthalle gebaut werden, aber der Plan wurde nicht realisiert und das ist nicht nur tragikomisch real-satirisch, sondern auch bezeichnend.

Dann „sehe“ ich vom Sprungschanzen-Hügel herab auch die ehemalige Schule, in der ich am längsten in meinem Leben, von der vierten Klasse bis zum Ende des ersten Halbjahres der zehnten Klasse, in einer Gruppe wenn nicht integriert, so doch anwesend und geduldet war, vielleicht von einigen sogar gern gesehen.

Dass dieses Schulgelände und die angrenzenden Plätze und Bauten für den Campus einer Hochschule ideal geeignet wären, muss gleichfalls jeder Laie sehen. Die ehemalige Kaufhalle neben der Schule würde mit relativ wenig Aufwand zum Audimax umgebaut werden, die ehemalige Mehrzweck-Gaststätte, die derzeit immerhin noch bewirtschaftet wird, mit noch weniger Aufwand zur Mensa usw. An der weit ausladenden Kurve aber, die sich etwa 400 Meter westlich der Schule erstreckt, steht in meiner Größen-Phantasie ein dieser Biegung folgendes repräsentatives Gebäude, mindestens fünfstöckig, in dem sich Labore, Ateliers, Hörsäle und dgl. befinden. Vom Dachgarten mit Restaurant und Ausstellungsflächen- und Sälen für angehende Künstler hat man tatsächlich einen unverbaubaren Grün-Blick, nicht nur, weil das in einer Immobilienanzeige steht.

Irgendwann mit etwa 10 aber hatte ich das im Kontext dieses von oben, weil vom Hügel herab begonnenen Luftschloss-Bauunternehmens entscheidende Erlebnis. Vielmehr – ich habe es selbst gewissermaßen generiert. Ich musste eines Nachts verblüfft, ja, erschrocken, aber trotzdem auch vergnügt fasziniert feststellen, dass meine Wach-Phantasien keineswegs auf tatsächliche oder angestrebte Erlebnisse in der sogenannten Realität insbesondere meines Schulalltags sich beziehendes Probehandeln sein mussten. Ich konnte auch einfach so spinnen, ohne den Wunsch oder die Sehnsucht, dabei gewissermaßen mental zu trainieren für die sogenannte Realität.

Eine der Weg- und Wendemarken im Lebenslauf, die man als solche meist leider erst viele Jahre später wahrnimmt, wenn überhaupt. Von da ab waren meine Träume und mein Handeln in der sogenannten Realität zwei sich nicht mehr aufeinander beziehende Kategorien, deren Abstand sich stetig vergrößerte.

Dementsprechend ist mein ganzes Leben verlaufen. Denn trotz meiner abwertenden Bezeichnungen ist mir natürlich klar, dass meine Phantasien nicht wirklich weltfremd, größenwahnsinnig usw. sind. Sie wären durchaus realisierbar, wenn… – ja, wenn was?

Postskriptum: Jetzt kommt von der Hauptverwaltung Budenzauber garantiert wieder eine Rückmeldung etwa des Inhalts: ‚Jammert er wieder seiner verlorenen Jugend hinterher!‘Kann er gar nicht, liebe Meta auf Deiner Ebene, denn er hatte eigentlich keine… heule, heule… Gute Arbeit, von wem auch immer! Aber ich halte das jetzt 33 Jahre aus, ich mache noch ’ne Weile. – Stattdessen kam jetzt eben wieder: ‚Roookooo?!‘ „Roko“ war einer meiner allgemeinbildend-polytechnisch-oberschulischen stumpfen Spitznamen, ganz einfach von meinem Namen abgeleitet. „Socke“ bzw. eigentlich „Sokke“ jedoch hatte nichts mit Käsefüßen zu tun, sondern war, natürlich, ein Anagramm von „Koske“. So!

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