Mitnichten… Natürlich habe auch ich nach der Maueröffnung eine Art Kulturschock erlitten, und zwar konkret am Samstag nach der Öffnung, als ich mit einem Kumpel in der Wohltat’schen Buchhandlung am Bahnhof Zoo war. Es war… – erschütternd. Es gab von jedem Buch, das mir in den Kopf kam, nicht eine Ausgabe, sondern drei, vier und mehr, von verschiedenen Verlagen, in verschiedenen Preislagen und in unterschiedlichen Aufmachungen. Zudem waren dort des Weiteren stapelweise Taschenbücher gelagert. Schon am Eingang stand ein Rollcontainer mit einem großem Preisschild „10 DM“, darin fand ich bereits nach kurzem Wühlen etwa „Gesammelte Erzählungen“ zum Beispiel von Stefan Zweig oder Herrmann Hesse usw. Als ich einen Verkäufer darauf angesprochen habe, hat der abgewunken und gesagt, er würde pro Schuber nur 5 DM nehmen. Bekanntlich bin ich selten sprachlos, da war ich es, ohne Ironie oder dgl. gesagt.
Mir ist sofort die rührige Bibliothekarin bei der Fahne eingefallen, die auch einen Buchhandel betrieb. Sie hatte übrigens einen typisch ostpreußischen Namen, aber das nun wirklich nebenbei. Die Frau hat es geschafft, fast jedes Buch zu organisieren, und wenn es auch Monate dauerte, war doch jeder happy, wenn er das bestellte Buch dann in den Händen hielt. Ich zum Beispiel hatte über ein Jahr lang auf eine Fast-Prachtausgabe von Hesses „Unterm Rad“ gewartet; in Leinen gebunden, mit Lese-Bändchen und zu einem für DDR-Verhältnisse sehr hohem Preis. Ich glaube, der betrug 16 Mark, und ich trug das Buch begreiflicherweise wie einen Schatz in meine Kampfkemenate in der Kaserne.
Nun stand ich in dieser Buchhandlung wie in einer Art Zauberladen und hatte – ein komisches Gefühl… Natürlich war es Wahnsinn, jetzt auch in diesem Marktsegment immer und überall alles sofort kaufen zu können, aber… Irgend etwas war weg, das eigentlich nicht schlecht war. Nein, auch das ist keine Ostalgie.
Die Pointe aber ist, dass ich wenige Wochen später, als die Verramschung und Verklappung der DDR-Literatur begonnen hatte, in einer Zeitung gelesen habe, einer westlichen wohlgemerkt, dass in den USA Germanistik-Studenten über Bücher von DDR-Autoren promovierten, unter anderem über Hans Webers Bücher, siehe oben. Dies hatte statt entweder in Detroit oder in Chikago, genau weiß ich es nicht mehr. Es scheint im hier verhandeltem Zusammenhang auch nebensächlich. Ich habe mir damals schon gestattet, dies mindestens merkwürdig zu finden. – Das ist Dialektik, Nossinnunnossen! Sorry.
Heute nun, da sich alles etwas beruhigt hat (?), muss man feststellen, und eben man, nicht nur ich, dass Weber eine glasklare Prosa schreibt, wie Größen des Genres wie Tschechow oder Maupassant oder Isaac B. Singer bestätigen würden. Man muss das doch mal aussprechen dürfen, ha! – Singer ist quasi mein persönlicher Gott der Short Story, aber das behalte ich für mich.
Und dann – der Plot! In den Neubaublocks, die eben bezogen werden, fehlen die Abdeckplatten an den Seitenwänden der Balkons. Vor allem deshalb entsteht ein ganz eigenartiges Geflecht von Kontakten und Beziehungen zwischen den Neumietern, initiiert durch das Mädchen Kat(harina), das schon am erstem Tag von Balkon zu Balkon klettert, und unter anderem, gnihi, dem lieben Gott begegnet usw.
Zum Finden solcher Plots braucht es jedoch zuerst eine gewisse kindlich-kreative Sicht auf Welt und Dinge und Wesen, nicht die Beherrschung von Spannungsaufbau, Figurenentwicklung, Dialoggestaltung, Landschaftsbeschreibung usw. usf. Das ist alles Handwerk, und das kann jeder lernen. Hier ist auch der „Trick“, bitte Anführungsstriche beachten, bei Kursen in Creative Writing. Durch die Übung der eben aufgezählten und weiterer Fertigkeiten soll eigentlich eine Art „Bewusstseinssprung“ erzeugt werden, nach dem Einem, unter anderem oder gar vor allem, solche Plots einfallen. Dann kann man wirklich mit Schreiben anfangen, heule heule…
Korrekt – der Tausendfüßler denkt eben wieder über seine Schritte nach und kommt nicht vom Fleck. Auch nichts Neues, aber der Vollständigkeit halber sei es erwähnt. Wie komme ich aber darauf, und gerade an dieser Stelle? Nun – wieder einmal diese „Zufälle“! Ich sage dazu jetzt nichts weiter; esoscheißerisch, bringt eh‘ nix, heule heule.
Beim Googlen nach Hans Weber habe ich unter anderem diese Seite gefunden. Das ist natürlich nicht der von mir gemeinte Weber. Was mich jedoch aufmerken ließ, war der Absatz unten, über „Nachholspiele“. Wie schon Dutzende Male gesagt, habe ich derartige Zufälle bzw. „Zufälle“ in den letzten Jahrzehnten hunderte Male erlebt.
Passt schon! – Warum schreibe ich meine, sagen wir: lose Sammlung von Geschichten aus meinem persönlichem Präteritum? Ich will nicht von „Memoiren“ oder dergleichen sprechen, weil ich nicht wirklich größenwahnsinnig bin. Um mich zu rechtfertigen? Um mich als Opfer darzustellen? Denn es hat schon etwas von einer Art verdünnten Hiobsgeschichte, was ich da bisher halbfertig akkumuliert habe. Will Opa, das Opfer, eine Entschädigung, weil er „überwacht“ und manipuliert wurde, von wem auch immer? Das haut schon deshalb nicht hin, weil derartige Entschädigungen vor allem symbolischen Charakter haben. Ich bekäme auch mit einer Million nicht die 33 Jahre des nicht Lebens und nicht Sterbens zurück, die ich jetzt durchgestanden habe, ha!
Oder will ich, wie erst ca. zwanzig Mal angemerkt, alles raus bringen, um dann frei und bereit zu sein für richtige Dichtung? Will ich in der Tat, in Klammern Hegel, so lange gewissermaßen Quantität erhöhen, bis es zum Umschlag in eine höhere Qualität kommt? So dass mir dann ein Plot einfällt, der die angesammelte Quantität originell ordnet? Beim Erstellen einer großen Website für eine Klapsmühle habe ich dieses „Umschlagen“ einmal erfreulich erlebt, tandaradei!
Wir bleiben dran, wir berichten, *hüstel*… Bis dahin – „An Guadn!“ Es ist jetzt fast 14.00 Uhr und der Klient hat Hunger, weshalb er sich mittäglicher veganymedizinischer Eigenbehandlung unterzieht. Oder so ähnlich…
Gnihi. - Nee, der is' ein sehr ruhiger Bürger, der Nachbar, was man auch verstehen kann, denn er hat eine…