Schreibt Sloterdijk, und der muss es wissen. Nein, ich mache mich nicht lustig; im Gegenteil habe ich bei Sloterdijk Antworten auf Fragen gefunden, die ich schon Jahrzehnte vor seinen diesbezüglichen Verlautbarungen zu stellen aufgegeben hatte, was mir, Überraschung, gar nicht bewusst war. Bla. – D. h., ich habe sie, immer die Antworten, nicht bei Sloterdijk gefunden, sondern in Texten aus seiner Feder bzw. Tastatur; dies als nicht notwendige, aber hinreichende Anmerkung zur Orientierung meiner zu Recht zahlreichen Nichtleser.
Aber es ist noch krasser – jeder Tag ist voller Prüfungen… Die Göttin lässt mich nicht in Ruhe; Gott ist tot, es lebe die Göttin, wir berichteten.
Über zwei gestern von mir, Überraschung, kaum oder gar nicht bestandene Prüfungen möchte ich hier schreiben, und ich möchte nicht nur, sondern tue es auch, und zwar hiermit und im Folgendem.
Zunächst wieder einmal typischer Charakter in typischer Situation. Es hätte mir auffallen sollen oder gar müssen, dass um den Mann herum weiträumig alle Plätze in der Tram frei waren, es ist mir aber erst aufgefallen, als ich in der Sitzreihe hinter der von ihm „genutzten“ meinen zunehmend von Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates geplagten Corpus eingefaltet hatte. Der Mann hat gestunken wie… – ich weiß auch nicht was. Was mich aber zu meiner Verblüffung grinsen machte, denn als Psychopath vermag ich nicht zu lächeln, sondern grinse nur, war der Inhalt der Flasche, der er lebhaft zusprach, wie frühere Meister der Prosa das formuliert hätten; es handelte sich um Eierlikör.
Hallelujah! Wenn jetzt schon Alkoholiker öffentlich Eierlikör in ihren regressiv-infantil lechzenden Gierschlund praktizieren, dann müssen Paradigmenwechsel stattgefunden haben, *hüstel*… – Wahrscheinlich ist es das billigste Zeugs, keine Ahnung.
Da war was… Ich sollte wieder irgend etwas tun, ich musste wieder irgend etwas tun sollen, die Situation enthielt eine Aufgabe usw. – nicht bestanden…
Einige Viertelstunden später wurde das Phänomen noch deutlicher, und jetzt im Bus. Ich bin gestern nicht durch die Stadt gelaufen, damit die Leute denken, ich wäre arbeiten, sondern habe Fahrzeuge des Öffentlichen Personennahverkehrs genutzt, weil es tröpfelt, tropft, plätschert, nieselt, kleckert und sprüht in M., Hauptversammlungsplatz der Bajuwaren, und das seit Tagen. Allein, Hauptstädte wurden schon immer bevorzugt beliefert – „Ist bekannt!“ (Zitat „Game of Thrones“)
Ein halbes Dutzend etwa Vierzehnjähriger stürmte in den Bus; Aktion, Bewegung, Farbe, yeah. Neuerlich musste ich zu meiner eigenen Verblüffung grinsen. Dann bemerkte ich, dass ein Typ einem langhaarigem Mädchen auf der Sitzbank vor ihm eine Feuerzeugflamme an ihre Haare hielt.
„Bemerken“ trifft jedoch das Geschehen nicht wirklich, da ich längst in dieser seltsamen Teil-Trance war, in die ich seit Jahrzehnten regelmäßig gerate, wenn ich nach draußen gehe; in diesem Zustand erreichten mich schon als Vierkäsebreit und Viertelstarker, wir berichteten, Rückmeldungen etwa des Inhalts, ich wäre schon wieder full wie ’ne Radehacke usw., obwohl ich keinerlei mental illuminierende Substanzen appliziert hatte.
Zugegeben, das ist besser geworden, dennoch bin ich ein Opfer und möchte Mitleid – danke, danke…
Bevor ich mich sozusagen einigermaßen in die Situation hinein wecken konnte, stieg eine etwa dreißigjährige Frau aus und schnauzte den Buben an, von wegen Leute anzünden usw.
Okay, die Frau musste dann selbst grinsen, und die bunte Runde wurde noch deutlicher von Kichern, Grinsen und Gackern gebeutelt; offensichtlich genossen es die jungen Menschen, aus einem sogenanntem Erwachsenen mit Alltags-Straßen-Maske eine Reaktion heraus gekitzelt zu haben.
Was Ost-Koske anging – er grinste noch breiter. Das Mädchen war auch keineswegs in der Sündenbock- oder Opferrolle, wie ich erleichtert feststellen konnte, vielmehr sie angesichts der Reaktion der Aus-dem-Bus-Aussteigerin einen tiefen Blick der Erheiterung sowie Genervtheit über die Alte mit ihrem Gegenüber tauschte; einem Dickerchen mit großer Klappe, Mamas Liebling, König der Welt, das Übliche.
Is‘ nix passiert, war im Grunde ’ne Lappalie; aber immer dieses Gefühl, jemand würde etwas von mir erwarten, das er, oder sie, für selbstverständlich hielte, auf das ich aber ums Verrecken nicht komme; in meinen Träumen bzw. „Träumen“ war dieses Empfinden in den letzten 33 Jahren viele tausende Male. Insofern ist diese Episode ein sehr schlechtes Beispiel für das, was ich meine, weil hier die mögliche oder gar nötige Reaktion eindeutig scheint. Es geht mir aber um das Gefühl, die Szene(n) wäre(n) gestellt, und ich müsste sie sozusagen abrunden, komplettieren usw. durch (m)eine Aktion, was, wie schon erwähnt, an Grundannahmen der Gestalttheorie- bzw. Therapie erinnert.
Klassische oder konservative Mitgliedinnen und Mitglieder des Freudeskreises Anna Lyse würden hier jedoch, wie erst einige Dutzend Male erwähnt, von psychotischer Symptomatik usw. sprechen; immer vorausgesetzt, dass nicht auch sie annehmen würden, oder gar sicher wären, dass ich, aharhar, den Simulanten spielen würde.
Um es kurz zu machen – es gibt auch sozusagen Gegenmeldungen, zum Beispiel diese:
Nicht nur von Stunde zu Stunde wechselt die Frage, die das Leben an uns stellt, – gemäß der Einmaligkeit jeder Situation, – sondern sie wechselt auch von Mensch zu Mensch, entsprechend der Einzigartigkeit jeder Person.
Viktor Emil Frankl („teilweise“ Quelle)…
Hm.
Es gibt noch mehr solche Bonmots, zum Beispiel das, dessen „Autor“ ich nicht zu ermitteln vermag (fauler Sack!), und in dem es sinngemäß, fast wörtlich heißt, der Mystiker würde im Meer schwimmen, der Schizophrene darin ertrinken.
Ich lasse das jetzt mal so stehen…
Aber noch ein Wort zu den mimischen und gestischen Reaktionen, die den Reagierenden selbst überraschen; siehe eben oben Opas Gegrinse.
Schon mehrfach habe ich festgestellt, dass man Erklärungen oder zumindest eindeutige Darstellungen von seelischen Situationen, um deren Erörterung man sich lange vergeblich und schließlich gar nicht mehr bemüht hat, in der, bitte Anführungsstriche beachten, „Unterhaltungsliteratur“ findet, zum Beispiel in Fantasy-Epen.
Sperber alias Ged in Ursula K. Le Guins „Erdsee“ etwa geht über eine Grenze, nach der er wieder zurück kehrt in die sogenannte Realität – aber es ist nichts mehr, wie es war, und es wird auch nicht mehr so, der Held muss mit dieser seelischen Wunde, mit diesem tiefem Defizit leben.
Nun habe ich letztens auf meine aktuellen Entdeckungen von Fantasy- und SF-Autoren wie Nora Bendzko oder Sam Feuerbach verwiesen. Feuerbachs „Krosann“-Saga habe ich zum zweiten Mal zu lesen begonnen; Frau Bendzkos „Galgenmärchen“ habe ich fast durch. Dazu nur nochmals ganz kurz – Wahnsinn!!! Mich gruselts, hihihi. Es muss zudem nicht immer „Game of Thrones“ sein, deutsche Autoren können so was auch. Später mehr, vielleicht (fauler Sack!)…
Die „Krähe“, eine eigentlich namenlose Auftragsmörderin, deren innere Wandlung einen der grandiosen Handlungsstränge des sechsbändigen „Krosann“-Zyklus‘ darstellt, erlebt zu ihrer Verblüffung zunehmend Situationen, in denen sie, als Beispiel, sicher ist, ihren normalen Handlungsmustern zu folgen, etwa Schlagen oder Stechen oder Würgen, und statt dessen – behutsam anfasst oder streichelt… Hihi. Oder auch nicht „Hihi“.
Kurzum – im nächsten Leben werde ich auf keinen Fall wieder Spießer, was ich aber möglicherweise bereits angedeutet habe, *hüstel*.
PS: Stuhlgang heute nur mäßig, als Ausgleich Wetter beschissen… „Falls das jemanden interessiert…“ (H. Caulfield)
Ich habe immer noch nicht raus gefunden, wer die beiden Typen sind, männlich-herb, harzig-holzig. - Hast Du da den, *hüstel*,…